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Seit Jahrzehnten suchen Sonnenforscher und Astronomen nach sicheren und innovativen Methoden, um die Geheimnisse unserer Sonne zu entschlüsseln. Die enorme Helligkeit und Hitze unseres Sterns erschweren direkte Beobachtungen und machen diese sowohl gefährlich als auch technisch anspruchsvoll – besonders, wenn es um die schwer fassbare Korona der Sonne geht. Während es auf der Erde einfach ist, eine künstliche Sonnenfinsternis zu erzeugen, indem man einen Gegenstand vor die Sonne hält, erfordert die Nachbildung dieses Phänomens im Weltraum fortschrittliche Technik und internationale Zusammenarbeit.
Die Proba-3-Mission: Präzise Formationsflüge im All
Hier kommt Proba-3 ins Spiel – eine Vorreiter-Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), die speziell entwickelt wurde, um noch nie dagewesene Einblicke in die Sonnenkorona zu ermöglichen. Der im Dezember letzten Jahres vom Satish Dhawan Space Centre in Indien gestartete Satellit besteht aus zwei unabhängig gesteuerten Raumsonden: dem Koronographen und dem Okkulter. Die Mission ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von 29 Luft- und Raumfahrtunternehmen aus 14 Ländern, darunter Branchengrößen wie Airbus, Redwire und Spacebel.
Innovative Technologie: Das Funktionsprinzip von Proba-3
Die Funktionsweise von Proba-3 ist ebenso genial wie technisch beeindruckend: Zwei Satelliten bewegen sich in einer exakt koordinierten Flugformation, getrennt durch 150 Meter – in einer Umlaufbahn rund 60.000 Kilometer von der Erde entfernt. Die Okkulter-Sonde positioniert sich exakt in Richtung Sonne und blockiert mit ihrer 1,4 Meter großen Scheibe das gleißende Sonnenlicht aus der Sicht des Koronographen. So entsteht eine künstliche totale Sonnenfinsternis, die es ermöglicht, die sonst verborgene Sonnenkorona mit höchster Detailgenauigkeit zu untersuchen. Die Steuerung dieser Präzision erfordert eine Genauigkeit im Millimeterbereich und erfolgt vollkommen autonom, während beide Sonden mit hoher Geschwindigkeit durch den Orbit bewegen. Das Proba-3-Team konnte diese exakte Ausrichtung mehrere Stunden am Stück halten – ohne direkten Eingriff vom Boden aus.

Wissenschaftliche Instrumente und frühe Erkenntnisse
Das Herzstück des wissenschaftlichen Erfolgs von Proba-3 ist das hochentwickelte Bildgebungssystem ASPIICS (Association of Spacecraft for Polarimetric and Imaging Investigation of the Corona of the Sun). ASPIICS erzeugt durch die Abschattung des Okkulters kontrastreiche und detaillierte Aufnahmen der Sonnenkorona. Forschende berichten, dass so noch schwächere und feinere Strukturen erfasst werden können als mit herkömmlichen Weltraum-Koronographen. Die Mission hat bereits die erste künstliche Sonnenfinsternis im All erzeugt und atemberaubende Bilder der Korona veröffentlicht – und damit bisher unbekannte Strukturen und dynamische Prozesse sichtbar gemacht.
Erweiterte wissenschaftliche Möglichkeiten
Neben ASPIICS verfügt Proba-3 über weitere hochmoderne Messgeräte. Das Digital Absolute Radiometer (DARA) misst die gesamte solare Einstrahlung, um die Energieabgabe der Sonne präzise zu bestimmen. Der 3D Energetic Electron Spectrometer (3DEES) untersucht zudem die Verteilung und Energie hochenergetischer Elektronen in den Strahlungsgürteln der Erde und liefert dadurch neue Erkenntnisse für die Weltraumforschung.
Bedeutung für Sonnenphysik und Weltraumwetter
Die von Proba-3 gewonnenen Daten eröffnen der Sonnenforschung neue Perspektiven. Mit den detaillierten Aufnahmen der Korona können Wissenschaftler die Mechanismen hinter Sonnenwind, koronalen Massenauswürfen und insbesondere das Rätsel um die extrem hohe Temperatur der Korona von über einer Million Grad Celsius untersuchen. Diese Erkenntnisse sind entscheidend, um Modelle der Sonnenaktivität zu verbessern und das Weltraumwetter zuverlässiger vorherzusagen – was direkten Einfluss auf Satelliten, Kommunikation und Stromnetze auf der Erde hat.

Autonomie und die Zukunft der Raumfahrtmissionen
Die außergewöhnlich autonome Formationsfliegerei von Proba-3 markiert einen Durchbruch für die zukünftige Planung von Missionen im tiefen Weltraum. Laut ESA sollen die Beobachtungsfenster künftig erweitert werden: Die beiden Satelliten streben bis zu sechs Stunden kontinuierlicher Sonnenbeobachtung in jedem der 19,6-stündigen Orbits an. Während die Formationskontrolle anfangs noch vom Boden unterstützt wurde, werden kommende Experimente die Autonomie weiter steigern und vollständig ohne menschliches Eingreifen ablaufen.
Fazit
Mit der erfolgreichen Erzeugung der weltweit ersten künstlichen totalen Sonnenfinsternis im Orbit setzt die ESA mit Proba-3 einen Meilenstein in der Sonnenforschung und Raumfahrttechnik. Die Mission ermöglicht erstmals spektakuläre und präzise Beobachtungen der Sonnenkorona und ebnet so den Weg für weitere Durchbrüche bei der Erforschung unserer Sonne und beim Schutz moderner Technologien vor weltraumwetterbedingten Gefahren. Die laufenden Beobachtungen von Proba-3 versprechen, einige der größten Rätsel unseres Sterns zu beleuchten. Die bereits veröffentlichten Bilder liefern einen eindrucksvollen Beweis für die Innovationskraft der internationalen Zusammenarbeit und den technologischen Fortschritt in der Weltraumforschung.
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