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Burnout: Neue Forschung zeigt, dass Ursachen weit über den Arbeitsplatz hinausgehen

Burnout: Neue Forschung zeigt, dass Ursachen weit über den Arbeitsplatz hinausgehen

2025-06-23
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Das Konzept des Burnouts wurde lange Zeit eng mit arbeitsbedingtem Stress, langen Arbeitszeiten und hohen beruflichen Anforderungen verknüpft. Eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU) stellt jedoch diese traditionelle Sichtweise in Frage. Die Studie zeigt, dass weniger als 30 % der Menschen, die unter Burnout-Symptomen leiden, ihre Belastung in erster Linie auf die Arbeit zurückführen. Damit werden deutlich komplexere Hintergründe dieses modernen Phänomens sichtbar.

Ein genauerer Blick auf die Studie: Methodik und überraschende Ergebnisse

Die Forscher der NTNU befragten 813 Beschäftigte in Norwegen, um die wahren Ursachen für Burnout, Erschöpfung und psychische Belastungen zu identifizieren. Die Teilnehmenden sollten ihre Erfahrungen reflektieren und die hauptsächlichen Auslöser für ihre Beschwerden benennen. Während ein Zusammenhang zwischen Burnout und Faktoren wie übermäßigen Arbeitsanforderungen festgestellt wurde, waren Aspekte wie Arbeitsplatzsicherheit und Unterstützung durch Kollegen stärker mit allgemeinem psychischem Stress als mit Burnout an sich verbunden.

Besonders auffällig: Lediglich 27,7 % der Personen mit Burnout gaben an, dass Arbeit ihr Hauptbelastungsfaktor sei. Die Mehrheit nannte vielmehr eine Mischung aus familiären Verpflichtungen, gesundheitlichen Problemen und finanziellen Sorgen – was verdeutlicht, dass der Arbeitsplatz oft nur einen Teil des gesamten Stressspektrums ausmacht.

Burnout und Stress: Ein umfassender Lebenskontext

Nach Einschätzung des NTNU-Psychologen Dr. Renzo Bianchi „beschreiben Menschen mit Burnout Stress in ihrem Alltag, der zu einer Art Depression führt. Man könnte dies als depressiven Stress im Leben bezeichnen.“ Diese Erkenntnis unterstreicht, dass Burnout nicht bloß eine Verlängerung von beruflichem Stress ist, sondern aus einer Vielzahl von Lebensherausforderungen entstehen kann.

Die Rolle der individuellen Persönlichkeit

Persönliche psychologische Faktoren wie eine Neigung zur Ängstlichkeit können erheblich beeinflussen, wie jemand mit Stress umgeht. Dr. Bianchi erklärt weiter: „Bei Personen mit einer ängstlichen Persönlichkeit können Sorgen und Stress sehr viel Energie kosten, ohne dass der Auslöser ausschließlich im Berufsleben liegt.“ Das verdeutlicht, wie wichtig es ist, die individuelle psychische Verfassung bei der Betrachtung von Burnout-Ursachen mit einzubeziehen.

Wissenschaftlicher Hintergrund: Die Entwicklung des Burnout-Begriffs

Der Begriff "Burnout" wurde erstmals vom amerikanischen Psychologen Herbert Freudenberger geprägt, der ursprünglich Erschöpfung bei pflegenden Berufen beschrieb. Im Laufe der Zeit erweiterte sich die Definition auf zahlreiche Berufsgruppen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt Burnout heute als Syndrom, das durch „chronischen arbeitsbedingten Stress“ gekennzeichnet ist – mit emotionaler Erschöpfung, innerer Distanz zum Beruf und einem Gefühl verringerter beruflicher Leistungsfähigkeit.

Die Ergebnisse der NTNU-Studie legen jedoch nahe, dass diese Definitionen überarbeitet werden sollten. Denn wenn der Arbeitsplatz nicht immer der Hauptauslöser für Burnout ist, müssen sowohl klinische Ansätze als auch Präventionsstrategien auch nicht-berufliche Faktoren wie familiäre Belastungen, chronische Krankheiten und finanzielle Probleme berücksichtigen.

Folgen für Prävention und betriebliches Wohlbefinden

Die Untersuchung macht Grenzen rein arbeitsplatzbasierter Maßnahmen zur Burnout-Prävention deutlich. Verbesserungen bei Arbeitsplatzsicherheit, kollegialem Miteinander und Autonomie am Arbeitsplatz können das Burnout-Risiko zwar senken, doch reichen diese Maßnahmen nicht aus, wenn private Belastungen die Hauptverursacher sind. Die Wissenschaftler empfehlen daher ganzheitliche Ansätze, die berufliches und privates Wohlbefinden gleichermaßen in den Blick nehmen.

Dr. Bianchi betont die Rolle sinnvoller Beschäftigung: „Nicht jeder hat das Glück, seinen Beruf zu lieben und dadurch mehr Stress im Job bewältigen zu können. Doch es ist wichtig, eine sinnstiftende Arbeit zu finden und sich dafür zu engagieren.“ Das verknüpft Arbeitszufriedenheit mit der Fähigkeit, Stress zu widerstehen, räumt jedoch ein, dass private Belastungen oft außerhalb des Einflusses des Arbeitgebers liegen.

Fazit

Die Forschung der NTNU sendet eine wichtige Botschaft an die internationale Gesundheits- und Wissenschaftsgemeinschaft: Burnout ist ein vielschichtiges Thema, das nicht allein durch den Fokus auf Arbeitsbedingungen verstanden oder bewältigt werden kann. Mit Blick auf die Weiterentwicklung des Verständnisses von Arbeitsgesundheit sollten Organisationen und Einzelpersonen die ganze Bandbreite an Stressfaktoren – von persönlichen Lebensereignissen bis zu individuellen Persönlichkeitsmerkmalen – in ihre Überlegungen einbeziehen. Die Neudefinition von Burnout im weiteren Kontext ist entscheidend, um wirksame Präventionsstrategien zu entwickeln und langfristige Gesundheit im Arbeits- wie Privatleben zu fördern.

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