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Rotationsgeschwindigkeit der Erde: Neue Rekorde im Sommer möglich
Ungewöhnliche Veränderungen in der Erdrotation könnten diesen Sommer zu den kürzesten Tagen seit Beginn der Messungen führen. Nach Angaben des Astrophysikers Graham Jones von timeanddate.com könnte sich die Erde am 9. Juli, 22. Juli oder 5. August besonders schnell drehen und damit den bisherigen Rekord aus dem letzten Jahr übertreffen. Damals vollendete der Planet eine Umdrehung 1,66 Millisekunden schneller als die üblichen 24 Stunden.
Wie entsteht die Tageslänge der Erde und welche Rolle spielt der Mond?
Die Erdrotation bestimmt exakt die Länge eines Tages – ein Wert, den Astronomen mit atomaren Uhren bis auf die Millisekunde präzise messen. Diese hochpräzisen Zeitmesser erfassen selbst minimale Abweichungen von den erwarteten 86.400 Sekunden (24 Stunden).
Mehrere Faktoren beeinflussen die Rotationsgeschwindigkeit der Erde. Ein maßgeblicher Einflussfaktor ist der Mond. Verläuft seine Bahn im Sommer weiter nördlich oder südlich zum Äquator, wie in diesem Jahr, kann sich die Erdrotation kurzzeitig leicht beschleunigen. Dieser Effekt ist so gering, dass er nur mit sehr empfindlichen Messgeräten nachweisbar ist. Gleichwohl erstaunt Forscher die Häufung kürzerer Tage seit 2020.
Aktuelle Rekorde und ungelöste Rätsel
In den vergangenen Jahren wurden regelmäßig neue Rekorde bei den kürzesten Erdtagen erreicht. 2020 drehte sich der Planet um 1,05 Millisekunden schneller als der Durchschnitt. Am 5. Juli 2022 lag der Rekord bereits bei -1,66 Millisekunden. Für 2024 erwarten Experten einen weiteren Tiefstand aufgrund der Mondposition, wobei der genaue Tag erst durch neue Messdaten mit Atomuhren bestätigt werden muss.
Die Gründe für diese schnellen Veränderungen geben Forschenden weiterhin Rätsel auf. Dr. Leonid Zotov, Rotationsexperte am Moskauer Institut für Elektronik und Mathematik, erklärt: "Die Ursache dieser Beschleunigung ist ungeklärt. Die meisten Wissenschaftler vermuten Prozesse im Erdinneren, da ozeanische und atmosphärische Modelle diese starke Beschleunigung nicht erklären können."
Längerfristige Entwicklung: Der monotone Einfluss des Mondes auf die Erdrotation
Während kurzfristige Schwankungen der Erdrotation derzeit intensiv untersucht werden, ist der langfristige Trend gut bekannt: Vor Milliarden Jahren dauerte ein Tag auf der Erde nur drei bis sechs Stunden. Der Hauptgrund für die allmähliche Verlangsamung der Erdrotation ist die sogenannte Gezeitenreibung, verursacht durch die Anziehungskraft des Mondes. Durch die Gezeitenkräfte wird der Drehimpuls der Erde auf die Umlaufbahn des Mondes übertragen.
Dadurch entfernt sich der Mond jedes Jahr um etwa 3,78 Zentimeter (1,49 Zoll) von der Erde – heute dauert sein Umlauf rund 27 Tage. In ferner Zukunft erreicht das Erde-Mond-System eine „gebundene Rotation“, bei der eine Seite der Erde stets dem Mond zugewandt ist und Tage sowie Monate die gleiche Länge haben. Astronomische Modelle gehen jedoch davon aus, dass dieser Zustand erst in etwa 50 Milliarden Jahren erreicht wird – lange nachdem die Erde nicht mehr bewohnbar ist.
Fazit
Die Erkenntnis, dass gegenwärtig besonders kurze Erdtage auftreten, wirft neue Fragen zur Dynamik unseres Planeten auf. Während der Einfluss der Mondgravitation auf die langfristige Verlangsamung der Erdrotation gut verstanden ist, bleibt die jüngste unerklärliche Beschleunigung ein spannendes Forschungsfeld. Mit modernsten Atomuhren beobachten Wissenschaftler die Veränderungen der Erdrotation kontinuierlich, um Antworten auf diese unerwarteten Schwankungen zu finden. Das genaue Verständnis dieser Variationen ist essenziell – nicht nur aus wissenschaftlichem Interesse, sondern auch für globale Navigation, Satellitenbetrieb und die Synchronisation unserer Uhren mit den natürlichen Rhythmen des Universums.
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