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Eine neue Mikrobe verändert, wie wir Leben verstehen
Wissenschaftler haben in der Planktonart Citharistes regius eine außergewöhnliche zelluläre Entität entdeckt, die unsere Vorstellung von Leben herausfordert. Das vorläufig als Sukunaarchaeum mirabile bezeichnete Mikroorganismus zeigt Eigenschaften, die es bemerkenswert nahe an Viren rücken – eine Gruppe, die seit langem im Mittelpunkt der Diskussion steht, was eigentlich als lebendig gilt.
Der wissenschaftliche Kontext: Was ist Leben?
Traditionell zieht man die Grenze zwischen lebenden und nicht-lebenden Systemen vor den Viren, da diese sich ohne Wirtszelle weder eigenständig vermehren noch erhalten können. Sukunaarchaeum mirabile befindet sich jedoch genau an dieser Schwelle. Die Entdeckung erfolgte zufällig, als der Genomforscher Ryo Harada von der Dalhousie University und sein Team die komplexe DNA-Struktur von Plankton und dessen symbiotischen Bakterien untersuchten. Dabei stießen sie auf eine bisher unbekannte DNA-Schleife, die zur Identifikation dieses neuartigen Mikroben führte.
Zentrale Erkenntnisse: Minimalistisches Genom und virale Parallelen
Sukunaarchaeum zeichnet sich durch ein äußerst reduziertes Genom aus, das nur 238.000 Basenpaare umfasst – deutlich weniger als viele Viren, deren Genome bis zu 2,5 Millionen Basenpaare umfassen können. Besonders auffällig ist das Fehlen nahezu aller bekannten Stoffwechselwege. Laut Dr. Haradas Team ist das Genom „radikal vereinfacht und kodiert hauptsächlich nur noch die Maschinerie seines Replikationskerns“. Sukunaarchaeum ist also in hohem Maß auf seinen Wirt angewiesen, um lebenswichtige biologische Prozesse zu bewältigen – eine Eigenschaft, die es mit Viren teilt.

Worin unterscheidet sich Sukunaarchaeum von Viren?
Trotz starker Ähnlichkeiten mit Viren unterscheidet sich Sukunaarchaeum durch einen entscheidenden genetischen Satz: Es verfügt weiterhin über Gene zur Herstellung wichtiger zellulärer Strukturen wie Ribosomen und die RNA für die Proteinsynthese. Viren hingegen müssen hierfür komplett auf den „Baukasten“ ihres Wirts zurückgreifen. Hinzu kommt, dass Sukunaarchaeum eigene Membranproteine bildet, die vermutlich wichtig sind, um die komprimierte DNA im Inneren der Planktonzelle zu schützen und einzuschließen.
Evolutionäre Bedeutung und der Stammbaum des Lebens
Genetische Analysen zeigen, dass Sukunaarchaeum zu den Archaeen gehört – einer Mikroorganismengruppe, die sich deutlich sowohl von Bakterien als auch von Eukaryoten (zu denen auch Menschen zählen) unterscheidet. Das ringförmige Chromosom des Organismus entspricht bekannten Merkmalen von Bakterien und Archaeen. Trotz allem fehlen dem Mikroben sämtliche Gene für Stoffwechselvorgänge, sodass es seinem Planktonwirt keinen offensichtlichen Nutzen bringt – ein parasitärer Lebensstil, wie er auch Viren kennzeichnet.
Die Entdeckung verwischt somit die klassische Grenze zwischen zellulärem Leben und nicht-lebenden Virenpartikeln und stellt unser Verständnis über den Ursprung und das Ende des Lebens in Frage.
Fazit
Die Identifikation von Sukunaarchaeum mirabile zwingt Biologen und Astrobiologen dazu, zentrale Fragen zu Ursprung und Definition von Leben neu zu überdenken. Als Grenzfall zwischen Zelle und Virus verdeutlicht dieser Mikroorganismus, wie vielfältig und anpassungsfähig die Welt der Mikroben ist. Zukünftige Forschung an Lebensformen wie Sukunaarchaeum könnte nicht nur unsere Definition von Leben verändern, sondern auch wertvolle Hinweise für die Suche nach außerirdischem Leben liefern.
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