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Das Schicksal der Milchstraße und Andromeda: Neue Erkenntnisse über eine mögliche Kollision

Das Schicksal der Milchstraße und Andromeda: Neue Erkenntnisse über eine mögliche Kollision

2025-06-04
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Neubewertung des Schicksals der Milchstraße und Andromeda-Galaxien

Über ein Jahrhundert lang galt unter Astronomen als sicher, dass die Milchstraße in etwa fünf Milliarden Jahren mit ihrer nächsten großen Nachbargalaxie, Andromeda (M31), kollidieren wird. Dieses spektakuläre Ereignis, das vermutlich in der Verschmelzung beider Spiralgalaxien zu einer größeren elliptischen Galaxie resultieren sollte, war eine zentrale Annahme kosmischer Vorhersagen und Teil der Wissenschaftsvermittlung. Jetzt präsentiert eine Studie in Nature Astronomy eine grundlegend neue Perspektive und stellt dieses Szenario erheblich infrage: Das zukünftige Schicksal der beiden Galaxien ist weit weniger sicher als angenommen.

Die Lokale Gruppe: Komplexität kosmischer Prognosen

Milchstraße und Andromeda bilden die Kernmitglieder der Lokalen Gruppe – einer umfangreichen Ansammlung von über 50 Galaxien, die durch Gravitation gebunden sind. Neben vielen Zwerggalaxien umfasst dieses System auch einen massiven Halo aus Dunkler Materie. Nach dem Standardmodell der Kosmologie sind die heutigen Strukturen beider Galaxien bereits durch frühere Verschmelzungen und gravitative Wechselwirkungen geprägt.

Galaktische Dynamik verstehen

Vorhersagen zu zukünftigen Kollisionen von Galaxien sind außerordentlich komplex. Erforderlich sind präzise Daten zu Positionen, Bewegungsbahnen, Massen und der Wirkung gravitativer Kräfte. Eine zentrale Rolle spielt die sogenannte dynamische Reibung – ein Effekt, der die Galaxien langsam abbremst und ihre Umlaufbahnen aneinander angleicht. Hinzu kommen Schwankungen in Geschwindigkeiten und Massenverteilungen, die bei der Modellierung kommender Wechselwirkungen berücksichtigt werden müssen.

Neue Perspektiven durch fortschrittliche Simulationen

Die aktuelle Studie nutzte Daten des Hubble-Weltraumteleskops sowie der europäischen Weltraummission Gaia. Mit Hilfe dieser Beobachtungen führten Wissenschaftler 100.000 Monte-Carlo-Simulationen durch, bei denen nicht nur Milchstraße und Andromeda, sondern das gesamte System der Lokalen Gruppe einbezogen wurde. Das überraschende Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass Milchstraße und Andromeda innerhalb der nächsten zehn Milliarden Jahre verschmelzen, liegt nur noch bei etwa 50 Prozent – deutlich niedriger als bisher angenommen. Für eine Kollision innerhalb von vier bis fünf Milliarden Jahren beziffern die Forscher die Chance sogar lediglich auf zwei Prozent. "Basierend auf den besten verfügbaren Daten ist das Schicksal unserer Galaxie vollkommen offen", betonen die Studienautoren.

Einfluss anderer Galaxien: M33 und die Große Magellansche Wolke

Eine Ursache für diese überraschenden Resultate ist die gravitative Wirkung weiterer naher Galaxien der Lokalen Gruppe, insbesondere M33 (die Dreiecks-Galaxie) und die Große Magellansche Wolke (LMC). Während M33 als Begleiter von Andromeda die Wahrscheinlichkeit einer Kollision mit der Milchstraße etwas erhöht, wirkt die LMC senkrecht zur Umlaufbahn und könnte die Milchstraße von einer direkten Verschmelzung ablenken.

Dr. Till Sawala von der Universität Helsinki erläutert hierzu: "Wären nur Milchstraße und Andromeda beteiligt, würden sie sich weiter im selben Orbit bewegen – das bedeutet aber nicht zwangsläufig eine Kollision. Es wäre möglich, dass die Galaxien einfach aneinander vorbeiziehen. Die zusätzliche Masse der Satellitengalaxie M33 zieht die Milchstraße zwar stärker in Richtung Andromeda, doch zugleich lenkt die LMC die Milchstraße aus der Bahnebene heraus. Das bedeutet nicht, dass die LMC eine Kollision verhindert – aber sie macht sie unwahrscheinlicher."

Blick in die Zukunft: Unsicherheit bleibt

Auch wenn diese Studie unser Verständnis vom Schicksal der Milchstraße grundlegend verändert, bleibt die endgültige Antwort offen. Die Forscher betonen, wie wichtig weitere Beobachtungen und noch präzisere Messungen sind, um zu klären, ob eine Galaxienkollision unausweichlich ist. "Ironischerweise wissen wir, trotz neuer und genauerer Hubble-Beobachtungen, nun weniger sicher, was passieren wird", so Sawala. "Das liegt an der umfassenderen Analyse und daran, dass wir das gesamte System einbeziehen. Eine belastbare Vorhersage des Endschicksals der Milchstraße kann erst mit noch besseren Daten gemacht werden."

Fazit

Die lang gehegte Ansicht, dass Milchstraße und Andromeda auf eine unvermeidliche Kollision zusteuern, muss vorerst revidiert werden. Dank aktueller Computersimulationen und Observatoriumsdaten liegt die Wahrscheinlichkeit einer Verschmelzung nur noch bei etwa 50 Prozent. Möglicherweise sind künftige Astronomielehrbücher gezwungen, ihre Kapitel über das Schicksal der Milchstraße zu überarbeiten. Bis dahin bleibt die finale Bestimmung unseres galaktischen Schicksals ungeklärt – und zeigt, wie viele Rätsel das Universum noch bereithält.

Quelle: nature

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