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Wie Koffein den Schlaf und die Gehirnfunktion beeinflusst

Wie Koffein den Schlaf und die Gehirnfunktion beeinflusst

2025-06-09
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Koffein zählt zu den weltweit am häufigsten konsumierten psychoaktiven Substanzen. Es ist in Kaffee, Tee, Softdrinks, Energy-Drinks, Schokolade sowie in verschiedenen Medikamenten enthalten. Sein Ruf als effektiver Wachmacher ist allgemein bekannt – doch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass die Wirkung von Koffein im Gehirn weit über eine bloße Steigerung der Wachheit hinausgeht. Neue Studien belegen, dass Koffein sogar die Muster der Gehirnaktivität während des Schlafs verändert. Dies kann unmittelbare Auswirkungen auf die Schlafqualität sowie die Gedächtniskonsolidierung haben.

Wie Koffein im Gehirn wirkt: Mehr als nur ein Stimulans

Koffein entfaltet seine Wirkung hauptsächlich, indem es Adenosin-Rezeptoren im Gehirn blockiert. Adenosin ist ein Molekül, das sich im Laufe des Tages ansammelt und abends Müdigkeit fördert. Durch das Hemmen von Adenosin mindert Koffein vorübergehend das Müdigkeitsgefühl und steigert die Aufmerksamkeit. Deshalb nutzen viele Menschen koffeinhaltige Getränke, um morgens in Schwung zu kommen oder das Nachmittagstief zu überwinden.

Doch Forschende der Universität Montreal untersuchten, was passiert, wenn Koffein bis zum Zubettgehen im Körper verbleibt. Ihre Studie zeigt, dass Koffein nicht nur das Einschlafen verzögert, sondern die elektrischen Signale des Gehirns während des Schlafs aktiv verändert.

Zentrale wissenschaftliche Erkenntnisse: Koffein erhöht die Komplexität der Gehirnsignale im Schlaf

In einer kontrollierten Studie wurden 40 erwachsene Probanden an zwei verschiedenen Nächten untersucht. Jede Versuchsperson erhielt an einem Abend ein Placebo und an einem anderen 200 Milligramm Koffein – was etwa ein bis zwei Tassen Kaffee entspricht. Die Gehirnaktivität wurde mittels Elektroenzephalogrammen (EEGs) präzise überwacht, um die neuronalen Muster detailliert zu analysieren.

Die Ergebnisse zeigen, dass Koffein selbst mehrere Stunden vor dem Schlafengehen die Komplexität der Gehirnsignale im Schlaf steigert. Das Gehirn nähert sich dadurch einem sogenannten Zustand der "Kritikalität" – ein Gleichgewicht zwischen stabiler Struktur und flexibler Funktion, optimal für Informationsverarbeitung und kognitive Anpassung im Wachzustand. Im Schlaf kann diese erhöhte Komplexität jedoch nachteilig sein.

Störung der erholsamen Schlafphasen

Koffeinkonsum verringert nachweislich die Intensität langsamer Gehirnwellen – insbesondere der Delta-, Theta- und Alpha-Wellen. Diese langsamen Wellen sind charakteristisch für den tiefen, erholsamen Non-REM-Schlaf, der entscheidend für Gedächtnisbildung, kognitive Regeneration und die mentale Gesundheit ist. Neurowissenschaftler Karim Jerbi von der Universität Montreal betont: "Diese Veränderungen deuten darauf hin, dass das Gehirn selbst im Schlaf unter Koffeineinfluss aktiver und weniger regenerativ bleibt." Das könnte erklären, warum Koffein die nächtlichen Erholungsprozesse des Gehirns weniger effizient macht und somit Gedächtnis- und Lernprozesse beeinträchtigen kann.

Wer ist besonders anfällig? Altersabhängige Empfindlichkeit gegenüber Koffein

Die Untersuchung zeigte, dass jüngere Erwachsene (Alter 20–27 Jahre) nach Koffeinkonsum deutlichere Veränderungen der Gehirnaktivität aufwiesen als ältere Probanden. Als mögliche Ursache nennen die Forschenden die altersabhängige Dichte von Adenosin-Rezeptoren. Diese sind bei Jüngeren stärker ausgeprägt, wodurch sie sowohl die wachmachende als auch die schlafstörende Wirkung von Koffein stärker verspüren. Die leitende Neurowissenschaftlerin Julie Carrier erklärt: "Während eine erhöhte Hirnaktivität tagsüber die Konzentration fördert, verhindert sie nachts eine ausreichende Erholung und Regeneration."

Diese Erkenntnisse sind in einer Gesellschaft mit hohem Koffeinkonsum über Alters- und Kulturgrenzen hinweg besonders relevant. Das Verständnis der altersabhängigen Effekte von Koffein auf das schlafende Gehirn könnte zukünftige Empfehlungen für Koffeinnutzung beeinflussen – insbesondere für jüngere Menschen und Personen mit Schlafstörungen.

Weitreichende Bedeutung und Zukunftsaussichten

Angesichts der weitverbreiteten Aufnahme von Koffein in modernen Ernährungsgewohnheiten haben diese Studien wichtige Implikationen für die öffentliche Gesundheit, die kognitive Neurowissenschaft sowie die Schlafmedizin. Sie liefern wertvolle Ansätze für weitere Untersuchungen, wie sich chronischer Koffeinkonsum langfristig auf die kognitive und neurologische Gesundheit auswirkt – insbesondere mit zunehmendem Alter. Darüber hinaus könnten diese Forschungsergebnisse Innovationen in der Therapie von Schlafstörungen fördern und zur Entwicklung sicherer Koffeingrenzwerte beitragen.

Fazit

Zusammengefasst zeigen die aktuellen Erkenntnisse, dass Koffein nicht nur das Einschlafen verzögert, sondern auch die Komplexität der Gehirnsignale erhöht und die Entstehung tiefer Schlaffrequenzen hemmt. Das Gehirn verbleibt dadurch während der Nacht in einem aktiveren, weniger erholsamen Zustand. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei jüngeren Erwachsenen, was auf biochemische Unterschiede im Gehirn im Laufe des Alterns zurückzuführen ist. Da immer mehr Menschen Koffein als Energiespender nutzen, ist das Verständnis seiner Wirkung auf den nächtlichen Schlaf essenziell, um kognitive Leistungsfähigkeit und Schlafqualität zu erhalten. Weitere wissenschaftliche Studien beleuchten fortlaufend das feine Zusammenspiel zwischen alltäglichen Stimulanzien und den komplexen Prozessen unseres Gehirns im Schlaf.

Quelle: doi

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