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Die Ursprünge des Lebens erforschen: Auf der Suche nach dem ersten Replikator

Die Ursprünge des Lebens erforschen: Auf der Suche nach dem ersten Replikator

2025-05-29
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Die Ursprünge des Lebens: Die Suche nach dem ersten Replikator

Das Rätsel um den Ursprung des Lebens fasziniert Menschen seit Jahrhunderten – von Philosophen und Theologen bis hin zu modernen Wissenschaftlern. Heute gehen Forschende über Mythen und Metaphern hinaus, um die molekularen Grundlagen zu untersuchen, die vor Milliarden von Jahren die Entstehung lebender Systeme auf der Erde ermöglichten. Im Mittelpunkt dieser wissenschaftlichen Mission steht das Ziel, die ersten Moleküle nachzubilden, die zur Selbstreplikation fähig sind – ein entscheidender Prozess, der den Beginn der biologischen Evolution markiert.

Die RNA-Welt-Hypothese: Eine zentrale Theorie der evolutionären Biologie

Eine der anerkanntesten wissenschaftlichen Theorien zum Ursprung des Lebens ist die RNA-Welt-Hypothese. Nach Ansicht vieler Evolutionsbiologen wurde die frühe Erde – vor rund vier Milliarden Jahren – über hunderte Millionen Jahre von einer Urwelt dominiert, in der Ribonukleinsäure (RNA) eine zentrale Rolle spielte. Diese selbstreplizierenden RNA-Moleküle könnten der Entwicklung von DNA und Proteinen vorausgegangen sein und dienten sowohl als Träger genetischer Information als auch als Katalysatoren für chemische Reaktionen.

Trotz ihrer Attraktivität hat die RNA-Welt-Hypothese noch immer mit zwei zentralen Problemen zu kämpfen. Zum einen haben Biologen bislang keine direkten Spuren oder Nachkommen dieser ursprünglichen RNA-Replikatoren in heutigen Lebensformen gefunden. Zum anderen ist es bislang nicht gelungen, unter präbiotischen Bedingungen – also jenen der frühen Erde – einen plausiblen und effizienten Weg zur Selbstreplikation von RNA nachzustellen.

Durchbruch im Labor: RNA-Replikation unter präbiotischen Bedingungen

Eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern des University College London (UCL) und des MRC Laboratory of Molecular Biology nimmt sich dem zweiten großen Hindernis an. Die Forschung, veröffentlicht in Nature Chemistry, stellt einen neuartigen experimentellen Ansatz vor, der die Nachbildung primitiver RNA-Replikation im Labor realisierbarer macht.

Das Forschungsteam verwendete speziell entwickelte 'Trinukleotide' – dreibuchstabige Bausteine der RNA, die in der heutigen Biologie nicht vorkommen. Diese Moleküle wurden kontrollierten Zyklen von Säure, Temperatur und Wasser ausgesetzt, um die sehr stabile RNA-Doppelhelix aufzubrechen. Durch das Einfrieren entstanden Eiskristalle, zwischen denen sich flüssige Kanäle bildeten. Innerhalb dieser mikroskopischen Räume ummantelten und stabilisierten die Trinukleotide die getrennten RNA-Stränge und verhinderten so eine vorzeitige Wiederverbindung.

Beim anschließenden langsamen Erwärmen und Feineinstellen des pH-Werts der Lösung stellten die Forschenden mehrere Runden der RNA-Strangreplikation fest. Die synthetischen RNA-Moleküle wurden schließlich so lang, dass sie Eigenschaften biologischer Funktion zeigten – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Entstehung lebender Systeme.

Expertenmeinungen: Trinukleotide und Umweltschwankungen als Schlüssel

Dr. James Attwater, Hauptautor der Studie vom UCL, betonte die Bedeutung ihres Ansatzes: „Die Trinukleotide, die wir als dreibuchstabige RNA-Bausteine nutzten, kommen in der heutigen Biologie nicht vor, ermöglichen jedoch eine deutlich leichtere Replikation. Die frühesten Lebensformen waren wahrscheinlich sehr anders als alles, was wir heute kennen.“ Er hob hervor, dass die gesteuerten Umweltzyklen – Wechsel zwischen Kälte und Wärme, Säure und Neutralität – auch unter natürlichen Bedingungen auf der frühen Erde, etwa bei täglichen Temperaturschwankungen oder in dynamischen geothermischen Zonen, aufgetreten sein könnten.

Auswirkungen, Grenzen und Ausblick in der Ursprungsforschung

Dieser Fortschritt baut auf einer langen Reihe bahnbrechender Arbeiten am UCL auf, darunter eine wegweisende Studie aus dem Jahr 2017 zu den chemischen Bausteinen der ersten RNA-Strukturen auf der Erde. Der aktuelle Durchbruch gibt Forschern nun die Möglichkeit, die Bedingungen und Mechanismen für eine wiederholte Selbstreplikation funktionaler RNA näher zu untersuchen – eine zentrale Voraussetzung für den Übergang von Chemie zu Biologie.

Wie Dr. Philipp Holliger, Senior-Autor vom MRC Laboratory of Molecular Biology, erklärt: „Das Leben unterscheidet sich von reiner Chemie durch Information – ein molekulares Gedächtnis, das im Erbmaterial gespeichert und von Generation zu Generation weitergegeben wird. Damit dies geschieht, muss die Information kopiert, also repliziert werden.“

Im Experiment gelang es dem Team, etwa 17 Prozent eines Test-RNA-Strangs (etwa 30 von 180 Basen) zu kopieren. Obwohl dies nicht vollständig ist, zeigt das Ergebnis, dass eine effiziente, enzymfreie RNA-Replikation mit weiteren Anpassungen realisierbar sein könnte. Interessanterweise stellten die Forscher fest, dass hohe Salzkonzentrationen die Replikation hemmen – jedoch boten Süßwasserseen und geothermische Tümpel, wie sie auf der frühen Erde wahrscheinlich vorkamen, ideale Bedingungen für den Prozess.

Fazit

Die neuen Erkenntnisse geben einen faszinierenden Einblick, wie sich selbstreplizierende RNA auf der Erde gebildet haben könnte und damit die Grundlage für die Evolution des Lebens, wie wir es heute kennen, schuf. Auch wenn weiterhin offene Fragen bestehen – beispielsweise die vollständige autonome RNA-Replikation – liefert die Forschung bedeutende experimentelle Belege für die RNA-Welt-Hypothese und erweitert unser Verständnis der molekularen Brücke von einfacher Chemie zu komplexem Leben. Die Entschlüsselung der exakten Mechanismen des Lebensursprungs bleibt ein spannendes Feld, das durch innovative Laborforschung und interdisziplinäre Zusammenarbeit vorangetrieben wird.

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