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Jährlich werden schätzungsweise Billionen Fische aus den weltweiten Gewässern gefangen, wobei der Großteil für den menschlichen Verzehr bestimmt ist. Während diese Praxis Milliarden von Menschen ernährt, rücken neue wissenschaftliche Erkenntnisse das erhebliche Leid in den Fokus, das Fische während des Fang- und Schlachtprozesses ertragen müssen. Eine aktuelle Studie unter Leitung von Dr. Cynthia Schuck-Paim am Welfare Footprint Institute liefert erstmals eine quantitative Analyse der Schmerzen, die Fische bei herkömmlichen Schlachtmethoden erfahren.
Die Regenbogenforelle im Fokus
Die Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss), ursprünglich in den kühlen Zuflüssen des Pazifiks beheimatet, zählt heute zu den wichtigsten Zuchtfischen und wird weltweit, mit Ausnahme der Antarktis, kommerziell gehalten. Die herkömmliche Schlachtung besteht meist darin, die Fische aus dem Wasser zu nehmen und sie entweder an der Luft oder in Eiswasser ersticken zu lassen. Obwohl diese Methoden effizient und weit verbreitet sind, stoßen sie bei Tierschutzorganisationen und Forschenden vermehrt auf Kritik.
Die neue Untersuchung zeigt, dass Forellen unter diesen Bedingungen zwischen 2 und 25 Minuten akute Schmerzen und erheblichen Stress erleiden können, wobei die durchschnittliche Maximalzeit bei 22 Minuten liegt. Dieses anhaltende Leiden resultiert aus physiologischen Belastungen, die unmittelbar nach der Entnahme aus dem Wasser einsetzen – etwa dem Kollabieren der empfindlichen Kiemenstrukturen sowie der Ansammlung von Kohlendioxid im Blut, die letztlich zur Bewusstlosigkeit und schließlich zum Tod führen, jedoch erst nach einer Phase intensiver Belastung.
Wissenschaftlicher Fortschritt: Das Welfare Footprint Framework
Die Messung von Tierleid galt lange als schwierig. Mit dem Welfare Footprint Framework (WFF) steht nun ein systematisches Verfahren zur Verfügung, das es ermöglicht, negative Zustände wie Schmerzen oder Stress bei Tieren präzise zu bewerten und vergleichbar zu machen. Das Framework erlaubt es Forschenden, Veterinären, Zuchtbetrieben und politischen Entscheidungsträgern, Intensität und Dauer des Leidens zu quantifizieren und so fundierte Verbesserungen im Tierschutz in der Aquakultur und anderen Sektoren umzusetzen.
Laut Dr. Schuck-Paim und ihrem Team ist das gesellschaftliche Bewusstsein für das Wohlergehen der Tiere so groß wie nie zuvor. Dies spiegelt sich in neuen Gesetzen, ethischen Zertifizierungen und einem verstärkten Konsumverhalten wider. „Unsere Ergebnisse liefern erstmals quantitative Schätzungen der Schmerzen während der Fischschlachtung und verdeutlichen das erhebliche Potenzial zur Verbesserung des Tierschutzes durch effektive Betäubungsmethoden“, betont das Forscherteam.
Wesentliche Ergebnisse: Schmerzintensität und -dauer
Die umfassende Analyse einschlägiger Fachliteratur zeigt, dass Fische bereits nach wenigen Sekunden an der Luft unmittelbare neurochemische Reaktionen zeigen – vergleichbar mit starker Abwehr und Panik beim Menschen. Sichtbare Verhaltensweisen wie heftiges Winden und hektisches Schnappen nach Luft belegen das extreme Unwohlsein der Fische während der Schlachtung.
Die Studie erfasst, dass sich die mittlere Dauer von mittelstarken bis intensiven Schmerzen pro Kilogramm Fisch auf etwa 24 Minuten beläuft. In Einzelfällen wurde eine Schmerzexposition von über einer Stunde pro Kilogramm festgestellt. Ausmaß und Länge der Leiden variieren je nach Fischart, Größe und den genauen Bedingungen bei der Schlachtung.

Elektrische Betäubung: Eine tierfreundlichere Alternative?
Um diesen Tierschutzproblemen entgegenzuwirken, wird die elektrische Betäubung als humanere Tötungsmethode vorgeschlagen. Durch die schnelle Herbeiführung der Bewusstlosigkeit lässt sich das Leiden der Fische signifikant verringern – pro investiertem Dollar in die Technologie könnten bis zu 20 Stunden Schmerzen eingespart werden. Allerdings ist die Effektivität der aktuellen Verfahren uneinheitlich, sodass nicht alle Fische sofort bewusstlos werden.
Wie Dr. Schuck-Paims Team betont, bestimmen das Gesamtkonzept und das Stressmanagement während des Fang- und Schlachtprozesses maßgeblich den Erfolg jeder Betäubungsmethode. Daraus ergibt sich, dass Verbesserungen beim Tierschutz nicht nur bei der Schlachtung, sondern entlang der gesamten Lieferkette der Fischwirtschaft notwendig sind.
Wege zu nachhaltiger und ethischer Aquakultur
Die Erkenntnisse verdeutlichen den dringenden Bedarf, im Bereich der kommerziellen Fischerei tierfreundlichere Schlachtmethoden flächendeckend einzuführen. Mithilfe des Welfare Footprint Framework können Produzenten, Behörden und Interessenvertreter die größten Schmerzpunkte im aktuellen System identifizieren und gezielte Maßnahmen umsetzen, die den Tierschutz effektiv erhöhen. Eine transparente wissenschaftliche Bewertung unterstützt zudem die Entwicklung von politischen Leitlinien, fördert bewusste Kaufentscheidungen der Verbraucher und treibt Innovationen hin zu einer ethischeren Nahrungsmittelproduktion voran.
Indem das wahre Ausmaß des Leidens bei den weltweit gängigsten Methoden der Fischschlachtung offengelegt wird, eröffnet die Studie außerdem eine breite gesellschaftliche Debatte über die Verantwortung gegenüber Tieren im Ernährungssystem.
Fazit
Die Quantifizierung von Schmerz und Leiden bei Fischen während der Schlachtung stellt einen Meilenstein im tierethischen und wissenschaftlichen Diskurs dar. Mit datenbasierten Instrumenten wie dem WFF steht der Fischwirtschaft und der Gesellschaft ein wirkungsvolles Werkzeug zur Verfügung, um gezielte, ethisch fundierte Verbesserungen in der Aquakultur voranzutreiben. Durch das Anerkennen und konsequente Handeln gegenüber dem Leid von Milliarden Fischen jährlich lässt sich ein Schritt hin zu verantwortungsvolleren sowie nachhaltigen Praktiken gehen, die das Wohl von Mensch und Tier gleichermaßen berücksichtigen.
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