6 Minuten
Die russische Krypto-Börse Garantex steht weiterhin im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit, nachdem koordinierte Sanktionen verhängt und bedeutende Stablecoin-Vermögenswerte eingefroren wurden. Trotz regulatorischer Maßnahmen und einer spektakulären Blockierung von 26 Millionen US-Dollar in Tether (USDT) – eine Kooperation von US-, deutschen und finnischen Behörden – zeigen Analysen der Blockchain-Forensik, dass dies nur einen kleinen Teil der digitalen Reserven von Garantex betrifft. Mit aktuellen Blockchain-Daten hat das globale Krypto-Analyseunternehmen Global Ledger aufgedeckt, wie die sanktionierte Börse weiterhin Regulierungsbarrieren umgeht oder zu umgehen versucht. Dies verdeutlicht die grundlegenden Herausforderungen für die Durchsetzung von Sanktionen bei digitalen Assets über verschiedene Blockchains hinweg.
Millionen an Kryptowährungen bewegen sich jenseits offizieller Einfrierungen
Laut Global Ledgers ausführlichem Bericht befinden sich über 15 Millionen US-Dollar an Kryptowährungen weiterhin auf Garantex-verbundenen Wallets über mehrere Blockchains wie Ethereum, Bitcoin und BNB Chain. Diese Vermögenswerte bleiben bisher größtenteils außerhalb der Reichweite aktueller Vollzugsmaßnahmen – entweder ruhen sie oder zirkulieren aktiv innerhalb der Blockchain-Infrastruktur.
Die erste Blockierung durch US- und europäische Regulierungsbehörden zielte gezielt auf Garantex’ USDT-Bestände ab. Die Blockchain-Daten zeigen jedoch, dass Garantex weitaus mehr verwaltete: erhebliche Mengen an Bitcoin (BTC), Ethereum (ETH), verschiedene ERC-20- und BEP-20-Token sowie einen rubelgebundenen Stablecoin namens A7A5. Diese Bestände stellen die internationale Finanzaufsicht weiterhin vor große Herausforderungen, da sie auf dezentralen und schwer durchsetzbaren Netzwerken liegen.
Vermögensverschiebungen nach der ersten Blockierung
Global Ledger deckte ein entscheidendes Detail auf: Bereits wenige Stunden nach dem offiziellen USDT-Einfrieren wurde ein zuvor inaktives Ethereum-Wallet, das mit Garantex in Verbindung steht, plötzlich wieder aktiv. Am 6. März, dem Tag der offiziellen Bekanntgabe durch Garantex, begann dieses Wallet mit der Konsolidierung von 3.265 ETH (im Wert von etwa 8,6 Millionen US-Dollar zu diesem Zeitpunkt). Diese veränderte Aktivität im Blockchain-Protokoll markierte den Beginn gezielter Bemühungen, Vermögenswerte der behördlichen Kontrolle zu entziehen.
Tornado Cash zur Verschleierung der Geldflüsse
Zwischen dem 22. Mai und dem 4. Juni wurden mehr als 2,25 Millionen US-Dollar in ETH aus diesem Wallet über Tornado Cash transferiert – einem bekannten Ethereum-basierten Krypto-Mixer, der Vorgänge verschleiert. In mehreren Tranchen von jeweils rund 845 ETH nutzte das Wallet Tornado Cash, um die letztlichen Empfänger der Gelder zu verschleiern. Dieses Vorgehen gilt als klassisches Beispiel der Krypto-Geldwäsche. Trotz dieser Transfers verblieben mehr als 2.334 ETH (im Juni rund 6,1 Millionen US-Dollar) im Wallet – was auf beträchtliche verbleibende Reserven hindeutet.
Global Ledger bezeichnete diese Vorgänge als "koordinierte Liquiditätsabflüsse", mit dem Ziel, offensichtliche Verbindungen zu Garantex zu kappen. Das laufende Monitoring identifiziert weiterhin verdächtige Transfers in Echtzeit.
Bitcoin: Chain-Wechsel zur Umgehung von Sanktionen
Der Bericht zeigte zudem parallele Entwicklungen auf der Bitcoin-Blockchain. Nach den Sanktionen vereinigten inaktive Bitcoin-Adressen mit Bezug zu Garantex fast 20 BTC. In den darauffolgenden Wochen stieg dieser Wert auf über 30 BTC (mehr als 3,1 Millionen US-Dollar). Bemerkenswert: Diese Bestände blieben nicht lange unangetastet. Bereits Anfang Mai wurde ein Teil der Bitcoins auf die TRON-Blockchain transferiert – das aktuell liquideste Netzwerk für Tether und beliebt im Bereich Cross-Chain-Stablecoins.
Die Vorteile des TRON-Netzwerks
Der Transfer von BTC zu TRON bietet laut Global Ledger-CEO Lex Fisun besondere Vorteile – sowohl für seriöse Trader als auch für Nutzer, die Sanktionen umgehen wollen. „TRON ist günstig, äußerst liquide und schnell. Wer BTC effizient in Stablecoins konvertieren möchte, findet hier mit tiefen Orderbüchern und kaum vorhandenen Gebühren, insbesondere seit den Gas-freien Upgrades bei USDT, optimale Bedingungen“, erklärt Fisun. Die Analyse entdeckte Abflüsse von Garantex-Wallets auf Adressen, die mit der Börsenplattform Grinex – einem mutmaßlichen Nachfolger von Garantex – verknüpft sind.
Obwohl die Rolle von Grinex als Garantex-Nachfolger offiziell noch nicht bestätigt ist, beobachtete Global Ledger, dass binnen weniger Tage nach Beginn der Maßnahmen sämtliche Bitcoin-Bestände transferiert wurden.
BNB Chain: Ein "blinder Fleck" der Sanktionierung
Neben Ethereum und TRON ist Garantex auch auf der BNB Chain aktiv, die eigene regulatorische Herausforderungen birgt. Anders als konkurrierende Netzwerke unterstützt BNB Chain kein natives USDT, sodass Tether dort keine Gelder einfrieren kann. Seit der Aussetzung von Garantex am 6. März ruhen die BNB-Chain-Wallets der Börse mit etwa 4 Millionen US-Dollar – ohne verzeichnete Abhebungen oder Swaps.
Fisun beschreibt die BNB Chain als einen "strategischen blinden Fleck" der Sanktionsdurchsetzung, da die Vermögensverwaltung hier meist außerhalb der Blockchain stattfindet und Einfrierungen nur schwer und langsam umsetzbar sind. Ein früherer Vorfall – das Einfrieren betrügerischer PopcornSwap-Assets – habe knapp zwei Jahre gedauert. Allerdings mache das verhältnismäßig geringe Volumen an Stablecoins (5 Milliarden USDT auf BNB gegenüber 73,8 Milliarden auf TRON) diese Chain für Verbrecher weniger attraktiv.
USDC und kleinere Stablecoins: Kaum kontrollierbar
Auch die Bewegungen von USDC bei Garantex wurden durch Global Ledger nachverfolgt. Nach den Sanktionen hielten Wallets der Börse noch über 73.000 USDC. Kurz vor dem offiziellen Einfrieren, am 4. März, wurden außerdem rund 290.000 USDC von gesperrten Ethereum-Wallets auf ein Depot bei einer führenden Börse transferiert. Solche kleineren Bewegungen entgehen oft der Aufmerksamkeit der Behörden, da sie unterhalb üblicher Meldeschwellen bleiben.
Generelle Problematik: Durchsetzungslücken bei Cross-Chain-Transaktionen
Während das Einfrieren von 26 Millionen US-Dollar in Tether für Schlagzeilen sorgte, schätzt Global Ledger, dass mindestens weitere 15 Millionen US-Dollar in verschiedenen Kryptowährungen und Stablecoins im Umfeld von Garantex westlichen Vollzugsbehörden weiterhin entzogen sind – die tatsächliche Summe könnte durch nicht nachverfolgte Token, neue Wallets oder undurchsichtige Blockchains sogar höher liegen.
Diese Vorgänge offenbaren grundsätzliche Schwächen moderner Krypto-Sanktionsprogramme. Token-Einfrierungen können zwar auf einzelnen Blockchains mit Unterstützung US-amerikanischer Anbieter effektiv sein – werden die Gelder jedoch auf andere Chains oder in Stablecoins außerhalb der US-Rechtsprechung bewegt, gerät die Durchsetzung ins Hintertreffen.
Wie von Global Ledger festgestellt, machen die Handlungen von Garantex „das wachsende Problem beim Einfrieren von Vermögenswerten in einer zunehmend multichainen Umgebung" deutlich. Diese Lücken werfen grundsätzliche Fragen zur Wirksamkeit von digitalen Vermögenssperren und zum Bedarf innovativer, übergreifender Kontrolllösungen auf.
Fazit: Fortdauernde Herausforderungen für Krypto-Compliance
Garantex demonstriert mit der Verschiebung erheblicher Summen nach einem offiziellen Vermögenseinfrieren, wie flexibel und versiert Akteure am Rande des regulatorischen Spektrums des globalen Kryptomarkts agieren. Die Transaktionen verdeutlichen, wie schwierig eine echte Durchsetzung auf dezentralen, globalen Krypto-Netzwerken bleibt. Da digitale Assets sich rasant über neue Blockchains verbreiten und Stablecoins teilweise außerhalb etablierter Regulierung entstehen, müssen Behörden und Marktteilnehmer gleichermaßen ihre Überwachungs- und Analysekapazitäten ausbauen. Nur so gelingt es, solche Durchsetzungslücken zu schließen.
Der Fall Garantex ist für alle, die regulatorische Entwicklungen im Kryptobereich beobachten, ein warnendes Beispiel: Das Cross-Chain-Zeitalter erfordert neue, effektive Strategien für Krypto-Compliance und Geldwäschebekämpfung im Kryptowährungssektor.
Kommentare