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Entschlüsselung eines fünfzigjährigen Blutgruppen-Rätsels: Das neue MAL-Blutgruppensystem

Entschlüsselung eines fünfzigjährigen Blutgruppen-Rätsels: Das neue MAL-Blutgruppensystem

2025-07-29
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Das Geheimnis einer neuen Blutgruppe gelüftet

Ein bedeutender Fortschritt für die Hämatologie und Transfusionsmedizin: Forschende aus Großbritannien und Israel haben ein neues menschliches Blutgruppensystem identifiziert, das als MAL bezeichnet wird. Damit gelang es, ein wissenschaftliches Rätsel zu lösen, das bereits in den 1970er Jahren seinen Ursprung nahm. Diese Entdeckung, 2024 veröffentlicht, erklärt einen einzigartigen Blutgruppenmangel, der erstmals 1972 bei einer schwangeren Patientin festgestellt wurde. Der Durchbruch erweitert nicht nur unser Wissen über die Vielfalt der Blutgruppen, sondern verbessert auch die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit seltenen Blutmerkmalen.

Wissenschaftlicher Kontext: Mehr als ABO und Rhesus

Obwohl die meisten Menschen mit den bekannten Blutgruppen ABO und Rhesusfaktor (Rh) vertraut sind, bestimmen heute über 40 anerkannte Blutgruppensysteme den genetischen Hintergrund des menschlichen Blutes. Diese Systeme werden durch eine Vielzahl von Proteinen und Zuckern definiert – sogenannte Antigene –, die die Oberfläche der roten Blutkörperchen bedecken. Sie dienen als wichtige Erkennungsmerkmale, wodurch das Immunsystem körpereigene von potenziell schädlichen Zellen unterscheidet. Wird nicht kompatibles Blut transfundiert, kann das zu gefährlichen Immunreaktionen führen – was die Bedeutung präziser Blutgruppenbestimmung in der modernen Medizin unterstreicht.

Die Entdeckung weiterer Blutgruppensysteme – etwa des Er-Systems im Jahr 2022 und nun des MAL-Systems – verdeutlicht, dass unser Verständnis der genetischen Vielfalt des Blutes stetig wächst. Viele dieser Blutgruppen kommen allerdings nur bei einem sehr kleinen Teil der Weltbevölkerung vor.

Das MAL-Blutgruppensystem: Entdeckung und Diagnostik

Anfang der 1970er-Jahre stießen Ärztinnen und Ärzte auf einen außergewöhnlichen Fall: Das Blut einer Schwangeren wies eine Oberflächenstruktur nicht auf, die fast ausnahmslos bei allen anderen Menschen vorhanden war. Nach intensiver Forschung, die sich über ein halbes Jahrhundert erstreckte, fanden die Forschenden heraus, dass mehr als 99,9 % der Weltbevölkerung über ein bestimmtes Antigen namens AnWj verfügen, das von einem Protein des MAL-Gens getragen wird. Bei der Patientin fehlte dieses Merkmal, was gezielte weitere Untersuchungen auslöste.

Dr. Louise Tilley, Hämatologin beim britischen Gesundheitsdienst NHS und federführende Wissenschaftlerin der Studie, betonte die Herausforderungen angesichts der Seltenheit von MAL-negativen Individuen: „Diese Entdeckung ist ein großer Meilenstein und das Ergebnis jahrelanger Teamarbeit, um das neue Blutgruppensystem zu identifizieren und Patientinnen und Patienten mit seltenen Blutgruppen besser helfen zu können.“

Die genetische Grundlage entschlüsselt

Mittels genetischer Analysen konnten die Forschenden zeigen, dass Personen mit zwei defekten Kopien des MAL-Gens das AnWj-Antigen nicht besitzen und damit eine MAL-negative Blutgruppe haben. Interessanterweise gab es auch drei Menschen mit unterdrücktem AnWj-Antigen, die keine Mutation im MAL-Gen aufwiesen, was nahelegt, dass manche Bluterkrankungen ebenfalls zu einem Fehlen des Antigens führen könnten. Dr. Tim Satchwell, Zellbiologe an der University of the West of England, erläuterte: „MAL ist ein sehr kleines Protein mit faszinierenden Eigenschaften. Aufgrund seiner schwer fassbaren Natur mussten wir verschiedene Methoden einsetzen, um es letztlich als neues Blutgruppenmerkmal zu bestätigen.“

Bedeutung für Medizin und zukünftige Forschung

Um die Entdeckung zu bestätigen, schleusten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das normale MAL-Gen in AnWj-negative Blutzellen ein und stellten so die Bildung des Antigens wieder her. Dieser genetische Nachweis verschafft Medizinerinnen und Medizinern ein wichtiges Instrument, um Patienten auf eine MAL-Blutgruppenzugehörigkeit testen zu können. Frühere Untersuchungen zeigten außerdem, dass das AnWj-Antigen bei Neugeborenen zunächst fehlt und erst kurz nach der Geburt ausgebildet wird. Das eröffnet neue Erkenntnisse über die Entwicklung von Blut und Immunsystem.

Bemerkenswert ist, dass alle in dieser Studie beobachteten AnWj-negativen Patienten die identische Mutation im MAL-Gen trugen. Weitere gesundheitsbeeinträchtigende Folgen dieser Mutation wurden bislang jedoch nicht festgestellt. Mit zunehmender Kenntnis seltener Blutgruppensysteme können Ärztinnen und Ärzte künftig besser beurteilen, ob ein fehlender MAL-Status erblich bedingt ist oder durch eine andere Erkrankung ausgelöst wurde – entscheidend für die Sicherheit bei Bluttransfusionen, Stammzelltherapien und die Behandlung seltener Krankheiten.

Fazit

Die Identifikation des MAL-Blutgruppensystems nach über fünf Jahrzehnten Forschung stellt einen bedeutenden Fortschritt für Hämatologie, Transfusionsmedizin und die Genforschung dar. Angesichts globaler Migration und immer vielfältigeren Bevölkerungen wird das Erkennen und Verstehen seltener Blutgruppen wie MAL für die Sicherheit von Bluttransfusionen und eine individuelle Patientenversorgung immer wichtiger. Die neue Entdeckung unterstreicht, wie zentral kontinuierliche wissenschaftliche Aufmerksamkeit bleibt, um die biologischen Besonderheiten des Menschen weiter zu entschlüsseln – mit dem Ziel, Leben zu retten und die Versorgung für alle Patienten zu verbessern.

Quelle: ashpublications

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