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Rekord-Schwarze-Loch-Fusion bestätigt unser Wissen über das Universum
Ein internationales Team von Physikern der Gravitationswellenobservatorien LIGO, Virgo und KAGRA hat die Entdeckung der bislang größten Verschmelzung von Schwarzen Löchern bekannt gegeben. Dieses außergewöhnliche Ereignis setzt neue Maßstäbe in der Astrophysik und liefert faszinierende Einblicke in die extremsten Vorgänge des Weltalls. Das Gravitationswellen-Ereignis, bezeichnet als GW231123, wurde auf der Edoardo-Amaldi-Konferenz für Gravitationswellen in Glasgow, Schottland, vorgestellt.
Bei dieser gewaltigen Kollision entstand ein einzelnes Schwarzes Loch mit etwa 225 Sonnenmassen. Gravitationswellen – Verzerrungen der Raumzeit, die erstmals von Einstein vorhergesagt wurden – wurden ausgelöst, als zwei Schwarze Löcher mit rund 100 beziehungsweise 140 Sonnenmassen aufeinander zuspiralten und schließlich zu einem neuen Objekt verschmolzen. Die Dimension dieses Ereignisses stellt alle bisherigen Beobachtungen ähnlicher Kollisionen in den Schatten.
Weltweite Zusammenarbeit: LIGO, Virgo und KAGRA enthüllen kosmische Katastrophen
Das LIGO-Projekt (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) bildet zusammen mit dem europäischen Virgo und dem japanischen KAGRA das führende Netzwerk für Gravitationswellenastronomie. Ihre moderne Technologie basiert auf höchstpräziser Laserinterferometrie: Mithilfe leistungsstarker Laser werden winzige Änderungen im Abstand von Spiegeln über Kilometer hinweg gemessen – Signale kosmischer Katastrophen, die Milliarden Lichtjahre entfernt stattfinden.
LIGO betreibt zwei Detektoren in Hanford (Washington) und Livingston (Louisiana). Advanced Virgo in Italien verstärkte das Netzwerk ab 2016. KAGRA in Japan brachte als erster asiatischer Gravitationswellen-Detektor entscheidende Fortschritte und ist gleichzeitig die erste unterirdische Anlage dieser Art, die durch ihren Standort besonders unempfindlich gegen seismische Störungen ist. Seit 2021 wird zudem LIGO-India gebaut, das nach 2025 in Betrieb gehen und die globale Detektionsfähigkeit weiter verbessern soll.
In den letzten Jahren verzeichnete dieses Konsortium Dutzende Gravitationswellen-Ereignisse, darunter Meilensteine wie die erste bestätigte Verschmelzung von Schwarzen Löchern und Neutronensternen – eine Entdeckung, die mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Besonders hervorzuheben ist das "Mass Gap"-Ereignis von 2021: Dabei verschmolz ein Neutronenstern mit einem Objekt, das weder leicht genug für einen Neutronenstern noch schwer genug für ein typisches Schwarzes Loch war. Solche Beobachtungen deuten auf bislang unerforschte Massenbereiche im Kosmos hin.
Wissenschaftliche Bedeutung und neue theoretische Herausforderungen
Vor GW231123 war GW190521 im Jahr 2020 die größte bekannte Verschmelzung, bei der ein Schwarzes Loch mit etwa 140 Sonnenmassen entstand. Das neu entdeckte Ereignis GW231123 übertrifft diesen Rekord deutlich und überrascht zusätzlich mit äußerst schnell rotierenden Schwarzen Löchern – fast am theoretisch erlaubten Grenzbereich, wie er von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt wird. Die komplexen Daten erforderten umfassende Analysen und sorgten für eine verzögerte Veröffentlichung der Ergebnisse.
Dieses Ereignis stellt aktuelle Modelle zur Entstehung von Schwarzen Löchern grundlegend in Frage. Nach bestehenden astrophysikalischen Theorien können so große Schwarze Löcher nicht direkt durch den Kollaps eines einzelnen Sterns (Kernkollaps-Supernova) entstehen. Vielmehr deuten zahlreiche Indizien darauf hin, dass es sich um eine hierarchische Verschmelzung handelt: Jedes der beiden Schwarzen Löcher war bereits das Produkt vorheriger Verschmelzungen. Dadurch zeigen sich kosmische Generationen von Fusionen in dichten Sternhaufen oder ähnlichen Umgebungen.
„Die Entdeckung eines derart massereichen und stark rotierenden Systems ist eine enorme Herausforderung – nicht nur für die Datenanalyse, sondern auch für die Theorie zur Entstehung von Schwarzen Löchern und die Vorhersage von Gravitationswellen-Signalen“, erklärte Ed Porter vom National Centre for Scientific Research (CNRS) in Paris. Die Resultate eröffnen sowohl technische als auch theoretische Perspektiven.
Zukunftsperspektiven in der Gravitationswellen-Astronomie
Die Registrierung von GW231123 stellt einen Meilenstein in der Gravitationswellen-Astronomie dar und wirft neue Fragen nach dem Ursprung der extremsten Objekte des Universums auf. Mit weiter steigender Empfindlichkeit und globaler Vernetzung von LIGO, Virgo und KAGRA sind künftig weitere Entdeckungen von massereichen, rotierenden und hierarchisch verschmolzenen Schwarzen Löchern zu erwarten. Diese Fortschritte werden nicht nur die Modelle zur Entwicklung von Schwarzen Löchern und Sternen verfeinern, sondern auch die Grenzen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und unser Verständnis der Entwicklung des Kosmos neu vermessen.
Fazit
Die Verschmelzung GW231123 markiert einen Wendepunkt in der Erforschung der gewaltigsten und geheimnisvollsten Vorgänge im All. Durch ihre fortschrittlichen Beobachtungsmethoden haben LIGO, Virgo und KAGRA die Grenzen unseres Wissens über Gravitation, Schwarze Löcher und die fundamentalsten Naturgesetze erweitert und neue Wege für zukünftige Forschungen eröffnet.
Quelle: arstechnica
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