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Alpines ehrgeizige Vision: In 20 Jahren zum Rivalen von Porsche
Die renommierte französische Sportwagenmarke Alpine verfolgt ein ambitioniertes Ziel: Sie möchte zu den führenden Herstellern im Hochleistungssegment aufschließen und den traditionsreichen Marken wie Porsche Konkurrenz machen. Mit einer mutigen 20-Jahres-Strategie plant Alpine, sich als Premium-Marke neu zu positionieren – durch innovative Elektroautos, fortschrittliche Technologien sowie einen verstärkten Fokus auf Luxus und Fahrspaß. Doch wie gelingt es, sich im Segment der elektrischen Sportwagen neben etablierten Größen wie Porsche zu behaupten?
Der Weg zur Neuausrichtung: Überleben, Ehrgeiz und Vision
Im Jahr 2020 stand Alpine innerhalb des Renault-Konzerns aufgrund der globalen Pandemie kurz vor dem Aus. Zu diesem Zeitpunkt erkannte der neu ernannte Renault-CEO Luca de Meo das Potenzial der Marke. Bei der Präsentation des Alpine A390 sagte er: „Es existierte kein Plan über den A110 hinaus – Alpine hatte im Grunde keine Zukunftsstrategie.“ Dank seiner Erfolge bei Abarth (Fiat-Chrysler) und Cupra (Volkswagen-Gruppe) entschied sich de Meo, Alpine als Luxusmarke neu zu beleben – trotz der angespannten Finanzlage von Renault. „Es war eine leicht verrückte Entscheidung“, räumt er ein. Doch sie wurde durch den Glauben an Alpines ungenutztes Potenzial getragen.

Vom Ein-Modell-Portfolio zur vollelektrischen Zukunft
Inzwischen wächst Alpines zuvor nur aus einem Modell bestehendes Angebot rasant. Der sportliche Alpine A290 – eine elektrische Interpretation des legendären Renault 5 – sowie das SUV-ähnliche A390 auf Basis der verstärkten Renault-Scenic-Plattform läuten den Wandel ein. Doch die eigentliche Bewährungsprobe steht Alpine noch bevor: Der Einstieg in das anspruchsvolle und kapitalintensive Segment der elektrischen Sportwagen. Das Unternehmen muss nun neue, loyale Kunden gewinnen, um in einem noch unsicheren Marktumfeld für elektrische Luxusfahrzeuge profitabel zu bestehen.
Langfristige Ausrichtung: Aufbau einer Premium-Marke
De Meo betont die Dimension dieser Aufgabe: „Für den Aufbau einer Premiummarke benötigt man mindestens 20 Jahre. Audi hat dafür 25 bis 30 Jahre gebraucht und jährlich Milliarden investiert. Diese Transformation geschieht nicht über Nacht.“ Im Gegensatz zu Audis damaligen Möglichkeiten verfügt Renault heute nicht über unbegrenzte Mittel, und die Marktbedingungen haben sich grundlegend geändert – insbesondere in den USA, wo Neueinsteiger es extrem schwer haben. Daher wurden Pläne für zwei größere Elektro-SUVs, die ursprünglich den Eintritt in den US-Markt ebnen sollten, zunächst pausiert. Ein großes SUV bleibt jedoch langfristig Teil der Strategie, abhängig von Marktbedingungen.
Globale Expansion: Neue Märkte, neue Herausforderungen
Alpine-CEO Philippe Krief, zuvor für Ferrari, Maserati und Alfa Romeo tätig, gibt an: Rund zwei Drittel der Alpine-Verkäufe finden derzeit in Frankreich statt. „Wir müssen lernen, unsere Autos in Deutschland, Großbritannien, Südkorea und echten Luxusmärkten zu verkaufen, bevor wir uns auf die USA konzentrieren“, so Krief.
Diesen Monat eröffnet Alpines erster neuer Showroom in Barcelona, später folgen Paris und London. Durch den neuen A290 konnte die Marke ihre Verkaufszahlen bis April dieses Jahres verdoppeln. Das ikonische A110 Coupé – von vielen als „Porsche 911 von Alpine“ bezeichnet – erreichte im vergangenen Jahr seine besten Verkaufszahlen seit dem Relaunch 2018. Bald wird es jedoch durch eine neue Generation als reiner Elektro-Sportwagen abgelöst, deren Premiere auf dem Pariser Autosalon 2026 geplant ist.

A110: Von der Wiedergeburt zur Elektrifizierung
Der aktuelle Alpine A110 hat die Marke erneut ins Rampenlicht gerückt und begeistert Sportwagenfans mit seinem geringen Gewicht, exzellentem Handling und unverwechselbarem französischem Stil. Die große Herausforderung: Kann der kommende vollelektrische A110 dieses Erbe bewahren? De Meo ist zuversichtlich: „Durch neue Vorschriften muss in Europa jeder elektrifizieren, aber technologisch sind wir zu den Wettbewerbern aufgeschlossen – den bisherigen Jahrhundertvorsprung gibt es nicht mehr.“
Kundenerwartungen im Elektrozeitalter erfüllen
De Meo räumt ein, dass frühe Elektrofahrzeuge oft wenig Charakter hatten. Nun sieht er eine Chance: „Vielleicht können wir zeigen, dass Elektromobilität Emotionen weckt – und dass E-Autos mehr sein können als seelenlose Gebrauchsgegenstände.“ Dieses Ziel steht im Mittelpunkt der Alpine-Strategie, einzigartige Elektro-Sportwagen zu bauen, die für echten Fahrspaß stehen.
Ingenieurskunst: Performance, Design und Technologie
Innovatives Chassis und Radnabenmotoren
Mit der neuen Alpine Performance Platform (APP) will Alpine kommende Sportwagen leichter machen als klassische Benziner wie der Porsche Boxster, auch wenn sie nicht mehr so federleicht wie der aktuelle A110 sind. Besonders die Radnabenmotoren sollen das Fahrverhalten revolutionieren – durch niedrigen Schwerpunkt und mehr Platz im Innenraum für Gepäck oder optionale 2+2-Sitze. Sie erlauben sofortige Kraftverteilung an das Rad mit dem besten Grip, was für agiles Kurvenverhalten und hohe Reaktionsfreude sorgt. Hochdichte Batterien werden außerhalb des Fußraums angebracht, um die typische Fahrerposition eines Sportwagens beizubehalten. Ein 800V-System für ultraschnelles Laden soll zudem Reichweitenängste minimieren und den Alltagseinsatz erleichtern.

Designsprache und sportliche Tradition
Die kommende Generation von Alpine-Modellen bleibt der Marken-Philosophie treu: Reduziertes, sportliches Design, konsequenter Leichtbau und Einflüsse aus dem Motorsport prägen die Fahrzeuge. Elegante, aber dynamische Linien, optimierte Aerodynamik und hochwertige, fahrerfokussierte Innenräume stehen im Mittelpunkt. Auch mit Elektroantrieb legt Alpine Wert auf Agilität und einen ausdrucksstarken Auftritt.
Marktpositionierung und Konkurrenzumfeld
Aktuell befindet sich Alpine in der Sichtbarkeitsphase und will gezielt europäische Käufer im Premiumsegment ansprechen, die anderen Marken wie BMW, Mercedes, Audi, Land Rover und Volvo bislang treu sind. Um die Markenbekanntheit zu steigern, hat de Meo auch das Formel-1-Team von Renault zu Alpine umbenannt und so das sportliche Profil geschärft, trotz gemischter Rennergebnisse. Der A424-Rennwagen spielt inzwischen eine zentrale Rolle in der Langstrecken-Weltmeisterschaft, während ein neuer V6-Hybrid-Hypercar – entwickelt von Hypertech Alpine R&D (ehemals Renault F1) – die Grenzen zwischen Straßensportwagen und Motorsport zunehmend verwischt.
Strategische Vielfalt über Elektromobilität hinaus
Alpine will sich bewusst nicht ausschließlich als Elektroauto-Marke positionieren. Die neu entwickelte APP-Plattform ist so ausgelegt, dass sie sowohl elektrische als auch klassische Verbrennungsmotoren aufnehmen kann. Krief betont: „Wir verkaufen keine Elektroautos, sondern exklusive, emotionale Sportwagen.“ Dieses duale Konzept erhöht Alpines Attraktivität weltweit und spricht auch Puristen an, die weiterhin auf das klassische Motorenerlebnis setzen.
Alpines einzigartiges Angebot: Leidenschaft trifft Innovation
Mit einer langfristigen Strategie, die modernste Elektromobilität, Rennsport-DNA, stilvolles Design und kompromisslosen Fahrspaß vereint, positioniert sich Alpine als ernstzunehmender Herausforderer für Porsche und andere etablierte Premium-Sportwagenmarken. Auch wenn große Herausforderungen bestehen – etwa beim Eintritt in den US-Markt und der Bewältigung des branchenweiten Wandels zur E-Mobilität – gibt Alpines Verbindung aus Innovation, Tradition und Exklusivität Anlass zur Hoffnung auf eine neue Ikone im Segment Luxus und Performance.
Für Sportwagen-Enthusiasten und Technikfans könnte Alpines Weg das Verständnis von elektrischen Sportwagen grundlegend verändern – mit französischer Designkunst und fortschrittlicher Technik als Grundlage für eine Zukunft, in der Fahrleidenschaft weiterhin zentral bleibt.
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